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Choral am Ende der Reise
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Ein Venusdurchgang als Auftakt
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Im Gasthaus treffen sie auf andere Amateurastronomen.
Über Eiern, Toast, Marmelade und Tee gehen die Gespräche
hin und her. Jason versteht nur Bruchteile. Einer der beiden
Fremden ist so begeistert, daß er Eikrümel und Tee im Bart hat.
"Heute ist sie über die Sonne gekrochen, die Göttin der Liebe!"
"Und das nächste Mal?" unterbricht Jason.
Die Fremden lachen in sich hinein.
"Es gibt kein nächstes Mal", sagt der Vater.
"Jedenfalls nicht für einen von uns hier.
Aber im Jahr 2004. Dann kommt sie zurück zur Sonne. In 120 Jahren"
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Diese Szene spielt sich fast am Anfang des Romans von Erik Fosnes Hansen ab.
Einer der Helden des Romans ist Jason, der Kapellmeister
auf der Titanic. Drei Seiten vorher beginnt die Lebensbeschreibung
dieser Romanfigur mit dem Kindheitserlebnis des Venusdurchganges, an das sich
Jason am Abreisetag mit der Titanic (10. April 1912) erinnert:
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"Wieviel Uhr ist es?" Wieder er selbst.
"Fünf Uhr siebenundvierzig einhalb." Ja. Dann war es also die
richtige Zeit. Der Vater blinzelt auf die Uhr. Dann schiebt er
die geschwärzte Glasscheibe in den Halter vor der oberen
Linse des Teleskops. Nun können sie geradewegs in die Sonne
sehen, ohne ihre Augen zu schädigen. Es ist ein Sommermor-
gen, im Freien, auf einer Wiese. Es riecht nach Gras und Klee,
und die Vögel haben gerade mit ihrem Gesang begonnen. Er
und der Vater sind ein paar Stunden gefahren, um hierher zu
kommen. Um einen Venusdurchgang zu sehen. ...
"Papa! Ich kann Sonnenflecken sehen. Und Portuberanzen!"
"Protuberanzen."
"Ja!"
"Laß mich schauen."
"Ja." ...
In all der Schwärze wirkt die Sonne wie eine brennende
Leuchttonne. Und dort, ganz richtig, in der rechten Ecke,
kriecht ein runder Flecken auf die Sonnenoberfläche zu.
Es ist
ganz deutlich eine kleine, absolut kreisförmige Kugel, und
kein Sonnenfleck.
...
Dies ist in Jason zurückgeblieben. In weiter Ferne sieht er das,
wie in der Entfernung des Weltraums. Eine Sekunde. Eine
Sekunde der richtigen Zeit
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"Es ist ein Sommermorgen,
im Freien, auf einer Wiese. Es riecht nach Gras und Klee,
und die Vögel haben gerade mit ihrem Gesang begonnen." Das ist leider erfunden.
Nicht nur Arno Schmidt würde sich im Grab umdrehen, denn tatsächlich
fand der letzte Venusdurchgang nicht an einem Sommermorgen, sondern
am 6. Dezember 1882 ab 15:10 Uhr MEZ und der vorletzte am 9. Dezember
1874 statt.
Trotzdem ist der Roman lesenswert. Der Venusdurchgang ist nur Auftakt
für die erste der Geschichten der genialisch veranlagten Helden,
die am Leben scheitern. Diese Lebensgeschichten werden ziemlich
gut erzählt.
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Lobreden
Auf der Rückseite des Umschlages der gebundenen
Ausgabe liest man folgendes:
"Die Geschichte beginnt am 10. April 1912.
An diesem Tag gehen im englischen Southampton sieben
Musiker an Bord eines neuen Riesendampfers, der
auf seiner Jungfernfahrt mehr als zweitausend
Menschen nach New York bringen soll.
Das Schiff heißt "Titanic", und die Musiker bilden das
Schiffsorchester, eine zusammengwürfelte Truppe aus
aller Herren Länder.
Selten treffen in einem Roman literarisches Können,
historische Recherche und spannende Unterhaltung
so zusammen wie in diesem Buch." (Verlagstext)
"Ein meisterhaft komponierter Ideenroman. Weltklasse."
Jostein Gaarder
"Choral am Ende der Reise ist nicht nur eine große klasssische
Erzählung von Reifeprozeß und Erfahrung,
von Freundschaft und Liebe, von Heranwachsen
und Untergang. Es ist gleichzeitig mit seiner
Gelehrtheit und röntgenartigen Genauigkeit ein
überaus modernes Porträt der Schönheit und
Selbstdestruktion der europäischen Kultur."
Peter Hoeg
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Gebundende Ausgabe
507 Seiten (1995)
Kiepenheuer u. Witsch,
Köln; ISBN: 3462024000,
45,00 DM
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Taschenbuch
506 Seiten (1997)
Fischer-TB.-Vlg.,
Ffm; ISBN: 3596130999
16,90 DM
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Kurzbeschreibungen, Rezensionen, Lobreden
Nach einem Mausklick auf Gebundene
Ausgabe kann man eine seitenlange
Rezension des SPIEGEL lesen.
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