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Venusdurchgang am 8. Juni 2004   -  Bericht
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Das Fest der Astronomen
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Venusdurchgang am 6. Juni 2012

  There will be no other till the twenty-first century of our era has dawned upon the earth, and the June flowers are blooming in 2004.
William Harkness, 1882


Die Venusdurchgangswiese
Für die meisten Leute dürfte der 8. Juni 2004 ein ganz normaler Werktag gewesen sein. Doch der 8. Juni 2004 war ein ganz besonderer Tag für Mitteleuropa. Zum erstenmal in der Geschichte beobachteten hier Menschen einen Venusdurchgang in voller Länge. Die Wettergötter hatten ihr Bestes gegeben und einen selten wolkenlosen, strahlenden Sommertag gewährt. So wurde dieser Tag zu einem Festtag für alle Astronomen und Gelegenheitsbeobachter.

Eine Linkliste zu Berichten und Fotos findet man unter www.venustransit.de/transitberichte.htm.
Am 6. Juni 2012 ist der nächste Venus-Transit.



Ein echtes Bild

Das Bild rechts zeigt den Planenten Venus als Pünktchen vor der Sonnenscheibe am 8. Juni 2004.
Näher zur Mitte hin kann man vier schwache Sonnenflecken erkennen (in der 1135x1135-Auflösung). Das Foto wurde vom Autor mit einer Digitalkamera durch ein 26mm-Okular am ETX 90 aufgenommen (48fache Vergrößerung). Hierbei wurde die Digicam einfach aufs Okular gehalten und mittels einer Klemme befestigt, wodurch sich Qualitätsverluste ergaben. Beim Hindurchsehen durchs Okular waren die Sonnenflecken wesentlich deutlicher zu sehen. Das Bild ist so gedreht, dass es aufrecht und seitenrichtig ist, dh. der Zenit ist oben. Das entspricht dem Anblick mit bloßem, aber durch eine SoFi-Brille geschütztem Auge oder dem Anblick durch ein mit Folie präpariertes Fernglas. Hier das Bild in größeren Auflösungen:
750x750 (57KB)
1135x1135 (130KB)


Echtes Bild vom Venusdurchgang
Ein echtes Bild:
Der Venusdurchgang am 8. Juni 2004 um 10:21 Uhr MESZ.



Der Venusdurchgang auf dem Kirchenplatz in Gießen

Die astronomische Beobachtung der Superlative
Echtes Bild vom Venusdurchgang
Der Kirchenplatz in Gießen.
Im Bild links das Transparent "Venus-Durchgang", rechts ein Schaukasten mit dem Plakat "Ist Gott ein Mathematiker". Die Skizze im Plakat findet man unter sternwarte-hoefingen.de.
Fotos: Josef Gräf (6.6.2004)

Aus der drei Jahre zuvor (April 2001) an dieser Stelle veröffentlichten Idee, auf dem Kirchenplatz ein Happening zu veranstalten, wurde

  • die größte Beobachtungsaktion der Heuchelheimer Astro-AG,
  • die vermutlich größte astronomische Veranstaltung in der Geschichte der Stadt Gießen,
  • die vermutlich größte Venus-Transit-Beobachtung der Bundesrepublik.

Als spiritus rector ist Dr. Reiner Euler zu nennen, der sich anläßlich des Merkurdurchganges 2003 mit dem Chef des Gießener Mathematikums in Verbindung gesetzt hatte. Letzterer hatte daraufhin eine konzertierte Aktion des Mathematikums mit der Stadt Gießen, dem Arbeitskreis Handel, der Kirche, den "Kulturschaffenden" und der Heuchelheimer Astro-AG angeregt. Daraus wurde ein Programm mit Innenstadtaktionen von Juni bis September, auch "Venus-Sommer" genannt.
Das Wochenende des 5./6. Juni war der erste Termin: Das Mathematikum veranstaltete ein Wissenschaftswochende u.a. mit Vorträgen und einem Gottesdienst. Der Arbeitskreis Handel hängte Herzchen-Girlanden und vom-Pfeil-getroffen-Transparente auf und die Gießener Zeitungen schrieben fleißig Artikel.

Der 8. Juni 2004 war der zweite Termin: Die öffentliche Beobachtung des Venusdurchgangs auf dem Gießener Kirchenplatz war die sonnigste und bei weitem erfolgreichste Veranstaltung. An diesem denkwürdigen Tag waren sage und schreibe 5000 Leute auf dem Platz zusammengekommen, wie Klaus Spruck später schätzte. Die Vereinskollegen der Heuchelheimer Astro-AG waren allesamt begeistert von der Stimmung auf dem Platz und vom starken astronomischen Interesse des Publikums. Ein Ensemble (Ariane Köster, Violine + Johannes Becker, Klavier) erfreute die Anwesenden in der benachbarten Pankratiuskirche und die Radiohörer des hessischen Rundfunks mit dem Venusdurchgangsmarsch.
Einige Bilder (Marcus Licher):


Buben, Schüler und Ältere auf dem Kirchenplatz
Gottfried Wiesner und Bernd Wießner auf einer blauen Friedensbank
Projektionsgeräte im Zelt
Begeisterte Beobachterinnen

Aber nicht alle Gießener waren da. Einige wenige, darunter auch der Autor, hatten sich bereits Ende Mai 2004 vorgenommen, einen großen Bogen um Gießen und seine Venus-Veranstaltungen zu machen, weil sie diese Plakate nicht mehr ertragen wollten und kulturelles Elend darin sahen (siehe nächster Abschnitt).



Der Venusdurchgang auf der grünen Wiese - Bericht des Autors

Die Venusdurchgangswiese auf dem Schiffenberg bei Gießen
Ende Mai 2004 tauchten im Industriegebiet West und auch anderswo in Gießen diese Doppel-Plakate auf. Sie provozierten Missverständnisse ("Reklame für 'ne Single-Party" – "Am 5.+6. Juni"), Missfallen, Spott und Fluchtgedanken. Mit dem Verantwortlichen (es war nicht die Stadt) waren anscheinend die Marketing-Gäule durchgegangen. Ein Pferde-Durchgang sozusagen.
Die Wiese Klostermauer Angesichts der als Zumutung empfundenen Plakate würde es das Beste sein, die Stadt zu verlassen und den 8. Juni 2004 auf einer abgelegenen grünen Wiese zu zelebrieren und zu genießen. Dr. Rolf Wilmes dachte ähnlich. Eine gemeinsame Beobachtung des Venusdurchgangs auf der südlichen Wiese an der Klosteranlage Schiffenberg war schnell beschlossen. Die Wiese erwies sich als goldrichtig. Sie ist abseits der Straße an der uralten Klostermauer gelegen, sie hat einen Baum, in dessen Schatten gemütlich gefrühstückt werden kann, sie bietet einen herrlichen Ausblick bis zu den Kammlagen des Taunus und ist trotz der idyllischen Lage mit dem Auto gut erreichbar.



Ein dankbares Zufallspublikum auf der Venusdurchgangswiese
Spaziergänger, Radfahrer, Traktor- und auch Autofahrer waren unser Publikum. Es waren Rentner, Sommerfrischler, städtische Feldarbeiter, Studenten und Taiwanesinnen. Die Leute freuten sich über unsere Erläuterungen und waren glücklich darüber, das seltene Ereignis an einem solch idyllischen Ort beobachten zu können.
Nachdem wir einem vorbeigehenden Rentner die Schwarze Venus gezeigt hatten, erschein etwas später ein Studentenpärchen aus einem der umliegenden Dörfer. Der Rentner sei ihr Vermieter und habe sie hergeschickt, erklärten sie.
Die auf die Sonne gerichteten drei Teleskope waren so attraktiv, dass auch Feldarbeiter mit ihrem großen Fendt-Traktor zu uns auf die Wiese fuhren, um zu erfahren, was es denn zu beobachten gäbe.
"Die ist aber klein!" lautete der Kommentar der meisten, was mich überraschte, denn ich empfand die Schwarze Venus als recht groß im Vergleich zum winzigen Merkurpünktchen des 7. Mai 2003.
Gegen 12:00 Uhr tauchte Achim Stock, der schon am 11.August 1999 dabei war, mit seinem VW-Bus auf und bereicherte unsere Beobachtung durch seine raffinierten Low-Cost-Beobachtungsgeräte. Er berichtete uns von einem gerade gesendeten Radio-Interview mit einem Hobbyastronomen auf dem Gießener Kirchenplatz, welcher schon seit dreißig Jahren auf das Ereignis gewartet hat. Im Autoradio sei auch der Venusdurchgangsmarsch zu hören gewesen.
Einige Bilder :

Josef Gräf (Autor) und Dr. Rolf Wilmes

Eine taiwanesische Universitätsprofessorin im Gespräch mit Rolf Wilmes

Nichtsahnender Sonnenanbeter auf der Nachbarwiese

Webcam und Laptop und Rolf Wilmes unter einem Handtuch

Low-Cost-Geräte von Achim Stock
Sonnenprojektion
Achim Stock und Rolf Wilmes
Rolf Wilmes, Josef Gräf, Achim Stock

Nach dem Venusdurchgang blieben wir noch bis um 15:00 Uhr auf der Wiese und setzten danach in des Autors Garten unsere Gespräche über vergangene und zukünftige Zeiten bis in den späten Abend fort.


Der Pseudo-Tropfeneffekt
Den zweiten inneren Kontakt um 13:03:54 Uhr konnte ich einwandfrei beobachten. Beim allerbesten Willen konnte ich keinerlei Tropfenbildung erkennen. Das könnte an der exzellenten Optik des ETX mit professionellem Glas-Sonnenfilter und an der 100%igen Fokussierung liegen. Bewußte verzichtete ich in diesem spannenden Moment auf das Fotografieren. Ich wollte mit den eigenen (sehr guten) Augen sehen, was passiert.
Auch Rolf Wilmes kann den Tropfeneffekt nicht bestätigen. Er hatte den Vorgang um den zweiten inneren Kontakt herum per Webcam und Laptop aufgezeichnet. Er schreibt zur Erklärung:
"Das AVI vom Venusaustritt wurde mit der Philips To-U Cam durch den BORG (102/640mm) mit angeschlossener 2x-Barlowlinse aufgenommen. Das dabei gewonnene AVI-File wurde mit GIOTTO in ca. 8300 Einzelbilder zerlegt. Von diesen wurden dann je 50 Bilder (entspr. 10 sec Aufnahmedauer) zu einem Einzelbild gestackt, die folgenden 100 Bilder ausgelassen, dann wieder 50 Bilder gestackt usw. Die erhaltenen 55 Einzelbilder wurden bearbeitet und zentriert und das vorliegende AVI daraus erstellt."
Die nachfolgenden vier Bildchen sind Momentaufnahmen des Films.
Auch wenn Captain James Cook schon 1769 in Tahiti einen "schwarzen Tropfen" beobachtete, alte Lexika ihn abbilden, viele Beobachter ihn am 8. Juni gesehen und fotografiert haben - wir halten den sogenannten Tropfeneffekt nur für ein Problem unscharfer Ränder bei schlechter Optik.

Ein echtes Bild
Ein echtes Bild
Ein echtes Bild
Ein echtes Bild

Bei Alexander und Alfons Gabel liest man folgendes:
"Das sogenannte Tropfenphänomen ist ausschließlich ein Resultat von Kontrast und Auflösung, gewissermaßen ein Phänomen kleiner Teleskope. Allein durch das Verändern entsprechender Einstellungen bei der Bildbearbeitung lässt sich durch "Verschlechterung" ein und desselben Bildes praktische jede berichtete Form des Tropfenphänomens erzeugen."
Siehe auch: This is simply the result of how two fuzzy bright-to-dark gradients add together
oder unter forum.astronomie.de die Diskussion: "Tropfeneffekt - Simulation".



Venusdurchgangsbilder
Die folgenden Bilder wurden aufgenommen mit einem 100/540mm Televue Genesis mit 2x Brennweitenverlängerung durch BAADER FFC (plus BAADER Sonnenfilterfolie; B=1/500sec.) und der Canon EOS 10d.

Ein echtes Bild
Der erste innere Kontakt.
Originalgröße (1584x1584, 136KB) per Doppelklick.
Foto: Dr. Rolf Wilmes
Ein echtes Bild
Der erste innere Kontakt.
Bildausschnitt aus dem linken Bild.
Ein echtes Bild
Ein Kompositbild.
Vom ersten bis zum zweiten inneren Kontakt.
Fotomontage: Dr. Rolf Wilmes





Der Venusdurchgang im Gefängnis

Venus-Transit im Jugendgefängnis
Von Thomas Luther-Mosebach

Angeregt durch die Vorbereitungen eines Wissenschafts-Festes in Gießen rund um den Venus-Transit am 8. Juni, entstand die Idee, auch in der Jugendstrafanstalt Rockenberg Inhaftierten und Bediensteten die Möglichkeit zu geben, dieses seltene astronomische Ereignis zu verfolgen. Die Sonnenfinsternis im Jahre 1999 war hier einfach "verpasst" worden, obwohl Jugendliche immer wieder Interesse an astronomischen Themen zeigen. So gestalteten zwei Lehrlinge vor etwa einem Jahr zu diesem Thema einen Vortragsabend, zu dem sie interessierte Mithäftlinge und Anstaltsbedienstete einluden.
Zur Vorbereitung auf den Venus-Transit sammelten 6 Teilnehmer einer Astronomie-Arbeitsgruppe Informationen aus den laien- und jugendgerechten Fachbüchern, die sie in der Gefängnisbibliothek fanden. Sie bereiteten für den Morgen des 8. Juni Schautafeln und Vorträge vor, unter anderen zu den Themen "Aufbau des Weltalls", "Sonne und Sonnensystem" und "Venus-Transit". Der Gießener Mathematiker und Hobby-Astronom Josef Gräf, der vor 3 Jahren die Idee zu einem Venus-Transit-Fest in Gießen in die Welt, beziehungsweise in das Internet gesetzt hatte, unterstützte die Rockenberger Laien-Astronomen mit ausgewählten Artikeln aus Fachzeitschriften sowie mit einem Fernglas mit professionellen Filtern. Für ein zweites, von einem Anstaltsbediensteten zur Verfügung gestelltes Fernglas wurden 2 weitere Sonnenlichtfilter gebastelt.
Am Morgen des 8. Juni war das Wetter am Rockenberger Himmel noch besser als bestellt. Nicht eine Wolke war zu sehen. Wie würde nun die Beobachtung der Venus vor der Sonne bei den Kollegen und bei den Jugendlichen ankommen? Wird man überhaupt etwas Bedeutungsvolles sehen? Zunächst war da einmal die gleiche Sonne wie immer, sonnenfleckenrein unberührt. Doch plötzlich bekam sie am linken unteren Rand eine kleine Macke, die größer und größer wurde und sich schließlich zu einer kleinen runden Linse auswuchs. Da war sie, die Venus. Fast so groß wie die Erde und doch so klein vor der Sonne. Jugendliche und Erwachsene waren gleichermaßen beeindruckt von dem kosmischen Ereignis. Verwunderung machte sich breit über die riesigen Ausmaße unseres Sonnensystems und der Sonne, in welche die Erde oder die Venus eine Million mal hineinpassen, wie die anwesenden Schüler, Lehrlinge und Bediensteten von den Vortragenden des Astronomie-Arbeitskreises erfahren konnten. Diese erhielten für ihre Beiträge viel Anerkennung. Für die meisten war es das erste Mal, dass sie vor einer großen Gruppe einen Vortrag hielten.
Für alle war diese kleine Veranstaltung eine inspirierende Unterbrechung des Gefängnisalltags. "Das ist hammerhart. Kein lebender Mensch hat das zuvor gesehen, aber wir hier im Knast erleben das jetzt", resümierte ein Jugendlicher die Veranstaltung.


© 20. 6. 2004 (Upd. 6. 6. 2006)   by Josef Gräf,   Venusdurchgang am 8. Juni 2004 - Bericht